Es gibt viele Bestseller auf dem Büchermarkt, die sich mit dem unterschiedlichen Verhalten zwischen Männern und Frauen beschäftigen. Eine sehr bekannte Lektüre zu diesem Thema versucht, Erklärungsansätze auf die Frage zu geben “Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken”[1]. Wir gehen nicht so weit zu behaupten, dass Männer nicht zuhören könnten und Frauen Schwierigkeiten mit dem Einparken hätten. Es lassen sich aber doch erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen, die in der langfristigen Anlagestrategie entscheidend sein können und den Anlageerfolg beeinflussen.

Zunächst muss aber auf zwei Theorien der «Behavioural Finance» – der Lehre der Verhaltensökonomie, eingegangen werden, um dann zu untersuchen, ob es jeweils Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Denn eigentlich ist ja die klassische Kapitalmarkttheorie eine Finanztheorie, die immer von dem “rationalen” Individuum ausgeht. Wenn also alle Marktteilnehmer rational handeln, sollten alle immer das gleiche Portfolio halten (das “Marktportfolio”).

Wir wissen natürlich, dass dies nicht der Fall ist, aber es hat lange gedauert, bis die Theorien der Verhaltensökonomie als eine Weiterentwicklung der klassischen Kapitalmarktheorie etabliert wurden. John Maynard Keynes ging sogar so weit zu behaupten: «Nichts ist so gefährlich wie die Verfolgung einer rationalen Investitionspolitik in einer irrationalen Welt”. Die wichtigste Abweichung von den klassischen Theorien ist die Selbstüberschätzung. Bereits 1981 untersuchte der Psychologe Ola Svenson Autofahrer auf ihre Selbstüberschätzung[2]. In den international durchgeführten Befragungen wurden Autofahrer aufgefordert, Ihr Fahrkönnen zu bewerten. Dabei stuften sich zwischen 60% und 90% der Teilnehmer als überdurchschnittlich ein. Da dies grundsätzlich nicht sein kann, muss sich also ein Grossteil geirrt oder überschätzt haben.

Im Anlageentscheidungsprozess findet sich das gleiche Phänomen: Viele Menschen am Kapitalmarkt denken: “Ich verstehe das Investment besser als die anderen Marktteilnehmer”. Sie überschätzen das eigene Wissen und Können. Damit herrscht bei ihnen eine Illusion der Kontrolle. Dies führt dann meistens zum Kauf von risikoreicheren Einzeltiteln als für sie rational wäre. Allein dadurch erzielen diese Personen schon eine geringere Rendite am Kapitalmarkt, da höhere Transaktionskosten bezahlt werden müssen. Schon seit langem beschäftigt sich die klassische Kapitalmarkttheorie mit dem Begriff des Risikos.

Ein neu in die Verhaltensökonomie aufgenommenes Phänomen ist aber die Risikowahrnehmung der Menschen. Unterschiedliche Charaktere nehmen Risiko differenziert wahr. Und das obwohl das Anlage-Risiko objektiv messbar und für alle Personen gleich ist, indem man zum Beispiel eine Schwankungsbreite der Performance einer Anlage oder auch den maximalen Verlust der Anlageform mit einer definierten Wahrscheinlichkeit errechnet. Aber in Realität werden Verluste von Anlegern stärker gewichtet als Gewinne, obwohl beide etwa in der gleichen Häufigkeit auftreten. Bei Verlusten wird oft nicht mehr rational agiert: Menschen neigen dazu, diese nicht zu realisieren oder das Risiko auf die Verlustposition sogar noch zu erhöhen. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass sich Menschen bei Verlusten gerne selbst betrügen: Sie können Verluste sogar vollständig ausblenden. Es gibt noch viele weitere Verhaltenstheorien und -fehler, die auf das Anlegerverhalten anwendbar sind. Aber die eigentliche Frage ist ja, ob es Unterschiede bei Männern und Frauen im Investitionsverhalten gibt. Kann das eigentlich sein? Schliesslich ist eine Aktie eine Aktie! Für Männer und für Frauen! Die Unterschiede liegen genau in den zwei oben erläuterten Theorien der Verhaltensökonomie: der Selbstüberschätzung und der Risikowahrnehmung. Natürlich sollte sich ein Unterschied in den Verhaltensweisen auch quantitativ nachweisen lassen, nämlich in der Performance. Schneiden Frauen langfristig besser oder schlechter ab als Männer?

Das Phänomen der Selbstüberschätzung, das sich ja schon im Autofahr-Verhalten nachweisen liess, kann auch getrennt nach Geschlechtern betrachtet werden: Eine Untersuchung des Versicherungskonzerns Axa[3] nach dem Autofahr-Verhalten von Männern und Frauen ergibt hier erste Klarheit: 77% der Männer fühlen sich am sichersten, wenn sie selber am Steuer sitzen. Bei den Frauen sind es nur 65%. Aber das Autofahr-Verhalten gibt nur erste Indizien für die Vermutung, dass Frauen sich weniger stark selbst überschätzen. Und Aussagen über das Anlageverhalten können daraus auch nicht gezogen werden. Aber auch dieses wurde in verschiedensten Studien überprüft: In einer Studie von Odean und Barber[4], bei der 35.000 Anleger über 6 Jahre befragt wurden, gaben nur 50% der Frauen an, sie seien erfahrene Investoren, während sich bei den Männern etwa 60% als erfahrene Investoren einschätzten. Dies resultiert gemäss der Studie in sehr viel stärker ausgeprägtem Handel von Männern, der in höheren Transaktionskosten resultiert. Bei einer Umfrage des US-Brokers Charles Schwab unter 900 Anlagern antworteten 48% der Frauen, dass das Investieren sie abschrecken würde («Investing is scary for me»), während bei den Männern dieser Prozentsatz nur halb so hoch war. Auch vertrauten erheblich weniger Frauen ihren eigenen Investment-Fähigkeiten, während die Männer in dieser Hinsicht doppelt so stark an sich glaubten. Der Aussage «Investieren macht Spass» schlossen sich nur die Hälfte der Frauen an, während drei Viertel der Männer dieser Aussage zustimmten. Tatsächlich schätzen Männer ihre Investment-Fähigkeiten also höher ein als Frauen, was zwei Gründe haben kann: Entweder verstehen Männer tatsächlich mehr vom Anlagegeschäft oder sie überschätzen sich in höherem Masse als Frauen. Die Wissenschaftler Odean und Barber ziehen die zweite Schlussfolgerung.

In Bezug auf die Risikowahrnehmung kann man bei Frauen und bei Männern beim Autofahr-Verhalten entgegen der gängigen Annahme keinen Unterschied erkennen. Im Anlageverhalten spielt die Risikowahrnehmung dagegen eine sehr grosse Rolle: Die Ökonomie-Professorin Renate Schubert stellte einem Experiment[5] fest, dass kein Unterschied im Verhalten von Frauen und Männern besteht, wenn man ihnen die Wahrscheinlichkeiten von Gewinn und Verlust im Versuchsfall vorgibt. Zu Unterschieden zwischen den Geschlechtern kommt es aber dann, wenn die Situation riskanter wird: Wenn das Risiko eines Verlustes stark zunimmt und die Situation unsicherer wird. Auch Aufschluss in Bezug auf das Risiko geben die Ergebnisse der Ökonomen Niessen und Rünzi der Universität Köln. Ihre Untersuchung [6] von professionell verwalteten US-Aktienfonds [7] zeigt, dass Frauen weniger einzeltitelspezifische Risiken nehmen und ihre Portfolios damit besser diversifiziert sind. Frauen folgen auch weniger extremen Investmentstilen als Männer. Sie wechseln weniger stark zwischen den Investmentstilen und folgen damit beständiger der Anlagestrategie. Die Performance von Frauen ist damit langfristig stabiler. Und das wichtigste Ergebnis: Frauen haben eine wesentlich geringere Wahrscheinlichkeit, unter den 5% schlechtesten Fonds zu landen. Dies alles ist noch kein Garant dafür, dass Frauen auch bessere Investmentergebnisse erzielen. Und genau hier sind die Ergebnisse gemischt: Nimmt man die Studie von Odean und Barber, in der Depots von privaten Investoren untersucht wurden, erhält man einen erheblichen und signifikanten Performanceunterschied zwischen Frauen und Männern. Da Männer exzessiver handeln, müssen sie eine Performanceeinbusse gegenüber Frauen von 1,4% pro Jahr in Kauf nehmen. Bei alleinstehenden Männern ist das Phänomen gegenüber alleinstehenden Frauen noch grösser: Sie handeln 67% mehr als Frauen und erzielen damit eine geringere Performance von 2,3% p.a. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Finanzwebseite Digital Look für die Jahre 2001 und 2005 bei der Untersuchung von 100.000 Depots von privaten Anlegern: Frauen erzielten in beiden Jahren eine um 4 – 6% höhere Rendite als Männer. Betrachtet man dagegen die Resultate der Studie Niessen / Rünzi, bei der nicht private Anleger, sondern Portfoliomanager untersucht wurden, kann über die Zeit kein signifikanter Performanceunterschied festgestellt werden.

Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass unter privaten Investoren die Geschlechter-Unterschiede in Bezug auf die Selbstüberschätzung und unterschiedliche Risikowahrnehmung stärker zum Tragen kommen als bei professionellen Investoren. Männer als Privatanlegerinnen neigen eher zu Selbstüberschätzung und nehmen höhere Risiken in Kauf im Vergleich zu Frauen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass exzessives Handeln Performance kostet und sich langfristig orientierte Anlagestrategien lohnen. Und natürlich, dass die Psychologie immer wieder gerne Einfluss auf unsere Anlageentscheidungen nimmt.  


[1] Pease, A., Pease, B.: «Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken», Ullstein, 2000.

[2] Svenson, O.: «Are we less risky and more skillful than our fellow drivers?», Acta Psychologica 47 (1981).

[3] «Frauen oder Männer – Wer fährt besser Auto?», AXA Konzern AG, Psychonomics AG, Köln, 2003.

[4] Barber, B. M., Odean T.: «Boys Will Be Boys: Gender, Overconfidence, And Common Stock Investment», 1999, 2001.

[5] Schubert, R., Gysler, M., Brown, M., Brachinger, H.W.: «Gender Specific Attitudes Towards Risk and Ambiguity: An Experimental Investigation», Juli 2000.

[6] Niessen, A., Rünzi, S.: «Sex Matters: Gender and Mutual Funds», Working Paper, Januar 2006.

[7] Alle US-Aktien-Publikumsfonds, die in der Verantwortung einer Einzelperson stehen und nicht von einem Team verwaltet werden. Zeitaum 1994 – 2003.