Die Digitalisierung hält Einzug in das Private Banking.
Sie umfasst sowohl Backend-Prozesse als auch das Beratungsgespräch mit Kunden. Einige Softwarelösungen zielen darauf ab, die Finanzplanung zu einem Erlebnis zu machen.

Knackiger Code gesucht

In der Königsdisziplin der Banken, dem Wealth Management, steht eine Digitalisierung an. Mehrere Plattformen bieten dafür ­Lösungen. Doch die Institute müssen auch Hürden überwinden

Kaum ein Geschäftsfeld der Banken gilt als so anspruchsvoll und zugleich ertragreich wie die Betreuung wohlhabender Kunden. Dieser Zweig ist in mehrerlei Hinsicht einem Wandel unterworfen. So reicht eine Kundengeneration ihr Vermögen an die nächste weiter. Mit dem demografischen Wandel geht ein Druck zur Automatisierung einher. Die Erbengeneration erwartet einen anderen, digitaleren Service.

Zugleich steigt der Aufwand, denn indi­viduelle und persönliche Beratung bleibt gefragt. Für die Geldhäuser steht daher ­immer dringender eine Erneuerung der IT an – einerseits um die Kunden mit modernen Instrumenten zu bedienen, andererseits um die Effizienz zu steigern.

Gerade die Kosten sind im einträglichen Wealth Management zu einem Faktor geworden, wie eine Studie der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Zeb zeigt. Beim bloßen Blick auf die Kennzahlen der 13 deutschen Privatbanken, die die Experten für ihre Untersuchung ausgewählt haben, scheint die Welt noch in Ordnung. So kletterten die Ausgaben in der Fallgruppe von 2019 bis 2023 um fünf Prozent, die Erträge um mehr als acht und das Ergebnis um satte 22 Prozent nach oben (siehe Grafik „Beständiges Wachstum“).

„Die aktuell starke Ertragssituation verdeckt die massiven Herausforderungen.“
– Jens Wiegel, Zeb

„Die aktuell gute Ertragslage der meisten Private-Banking-Anbieter täuscht über die massiven Herausforderungen auf der Kostenseite hinweg“, warnt jedoch Jens Wiegel, Senior Manager bei Zeb. Denn in den letzten zwei Jahren sei das Ertragswachstum überwiegend vorübergehenden Zinseffekten entsprungen. Die Aufwendungen seien zudem deutlich oberhalb des Inflations­niveaus gestiegen. Dies betreffe insbesondere kleinere Häuser. „Die regulatorischen Anforderungen wachsen, die Personalkosten sind enorm gestiegen“, betont Wiegel. „Das erfordert eine hocheffiziente und konsequent digitale Betriebsumgebung.“

Transformation

Tatsächlich scheint mit Blick auf die IT-Systeme bei den Instituten ein Wandel einzusetzen. „In den Banken findet eine umfassende Transformation statt, wie Geld verwaltet wird“, beobachtet Arnaud Picut, Vorstandschef des Aachener Softwarehauses Aixigo. „Das Wealth Management steht dabei im Fokus.“ Die auf Vermögensverwaltungsprogramme spezialisierte Gesellschaft Aixigo ist vom französischen Fondsanbieter Amundi übernommen worden. Die Pariser planen, Aixigo in ihre Technologie­sparte einzugliedern, zu der auch die von Amundi entwickelte Software Alto gehört.

Alto gilt als Antwort der Franzosen auf den Erfolg des Portfolio- und Risikomanagementsystems Aladdin des US-Branchenprimus Blackrock. Beide Programme haben neben dem Portfoliomanagement-Strang auch Ableger, die für den Einsatz im Private Banking und im Wealth Management geeignet sind. „Die Vermögensverwaltung befindet sich im Umbruch, da immer mehr Finanzberater sich der Technologie zuwenden, um maßgeschneiderte Lösungen in großem Stil anbieten zu können“, meint auch Venu Krishnamurthy, ­globaler Leiter von Aladdin Wealth.

Doch die Einführung neuer Software stößt bei vielen Geldhäusern auf eine ­Hürde: Die IT-Infrastruktur gleicht einem ­Flickenteppich mit Oldtimer-Kernbankensystem als Herzstück, in dem die Kundendaten schlummern. Solche Strukturen lassen sich oft nur mit ­hohem Aufwand austauschen – und unter der akuten Gefahr, dass ein Umzug im Desaster endet, wie die Beispiele Postbank oder Apobank zeigen.

Die Ansprüche an solche Rundum-Sanierungen der IT variieren zudem. „Großbanken können sich tendenziell umfassendere und teurere Tools leisten als Vermögensverwalter und kleine Privatbanken“, sagt Massimo Ferrari vom Zürcher Softwarehaus Assetmax. „Die Verwaltung der Kundendepots muss bei den Letztgenannten sehr effizient sein. Das heißt, dass die IT-Systeme auch sehr günstig sein sollten.“

Assetmax gehört zum Konzern des nor­wegischen Finanzdatenanbieters Infront. Die Osloer haben 2019 zudem die VWD-Gruppe übernommen. „Wenn ein Vermögensverwalter für mehrere hundert Kunden Transaktionen ausführen möchte, dann muss das schnell gehen und darf nicht mehrere Minuten für jeden Kunden dauern“, führt Ferrari aus.

Abseits der Stange

„Größere Banken leisten sich auch schon mal Lösungen abseits der Stange“, ergänzt Ferrari. Für Banken sei im Wertpapierbereich im breiten Retailgeschäft bisher das Beratungssegment wichtig. „Sie arbeiten viel mit geführten Anlagevorschlägen“, ­erläutert Ferrari. „Dabei müssen sie sicherstellen, dass passende Fonds über einen professionellen Beratungsprozess bei den richtigen Kunden platziert werden.“ Je wohlhabender die Klientel, desto eher kommen auch diskretionäre, mit Einzel­titeln bestückte Mandate zum Einsatz.

Moderne IT-Systeme sind oft modular und anpassungsfähig für verschiedene Aufgaben und Anwendungsfälle. „Unsere Systeme sind wie Lego-Steine“, beschreibt Aixigo-Manager Picut. „Jeder Kunde kann eine Lösung zusammenstellen, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist.“ Amundis Alto Wealth kann beispielsweise an die spezifischen Anforderungen einer Bank oder eines Vermögensverwalters angepasst werden.“

Akademisches Konzept

Manche Institute setzen hingegen auf spezialisierte Lösungen, etwa die Quirin Privatbank. Das Berliner Institut hat seit 2024 ein Programm des Schweizer Wealth- und Insurtechs 3rd-Eyes Analytics im Einsatz. Mit dem Werkzeug lassen sich finanzielle Ziele und Wünsche der Kunden ­erfassen, die Wege dahin kalkulieren und grafisch darstellen. Die Quirin Privatbank setzt auf das Honorarmodell und legt ­einen Fokus auf die Finanzplanung.

„Das Herzstück unserer Beratung ist, die bestehende Vermögenssituation mit den für die Zukunft gesetzten Zielen zu verbinden“, erläutert Ivica Jankovic, stellvertretender Niederlassungsleiter für Frankfurt am Main, den Ansatz. „Die Quirin Privatbank steht für ein akademisches Anlagekonzept“, führt Jankovic aus. Dafür gehe das Beraterteam in den Kundengesprächen der Frage nach, wie ein perfekt justiertes Risiko aussehen muss, um die anvisierten Ziele zu erreichen.

Nach der Abfrage aller relevanten Daten zur Lebenslage und zu den gewünschten Zielen zeigt die Software an, wie sich das Vermögen im Lauf der Zeit entwickelt (siehe Grafik „Aktuelle Anlage vs. Empfehlung“) und ob die Finanzziele überhaupt in Reichweite liegen. Solche Ziele können ausreichend Geld für einen früheren Ruhestand oder für ausgedehnte Seniorenreisen sein. Auch Aufwendungen für eine eventuelle Pflegebedürftigkeit lassen sich ein­kalkulieren. Dabei kann das Programm die bestehende Allokation eines Kunden berücksichtigen – aber auch aufzeigen, wie sich das Vermögen im Zeitverlauf etwa bei einer Erhöhung der Aktienquote entwickeln würde.

„Ein wichtiger Vorteil von 3rd-Eyes ist, dass die Schwankungen der Börsen einkalkuliert werden“, sagt Jankovic. „Die meisten Programme bieten lediglich eine lineare Planung, bei der etwa die durchschnittliche Aktienrendite Jahr für Jahr aufgeschlagen wird. Dabei ist jedoch keine Risikokomponente berücksichtigt.“ Denn wenn etwa in der Entnahmephase die Börsenkurse drastisch fallen, dann entgeht dem Kunden auch ein Teil der Erholung, weil er in den Verlust hinein noch weiter verkauft hat. „Eine rein lineare Aktienquote ist daher immer mit Vorsicht zu genießen“, mahnt Jankovic. Die historischen Daten zu den Marktrenditen und den Schwankungen hat das Portfoliomanagementteam der Quirin Bank zusammengetragen und in die Software eingepflegt.

Beratungserlebnis

Die Darstellung könne eingängig vor Augen führen, dass sich mit einer höheren Aktienquote zum Ruhestandsbeginn auch ein höheres Vermögen aufbauen lasse, so der Berater. Und es werde verdeutlicht, dass selbst im ungünstigsten Kapitalmarktszenario der Kunde besser dasteht, als wenn das Vermögen auf einem Konto schlummern würde. Das Programm berücksichtige bei den Erträgen die steuerliche Komponente, die Inflation sowie Gebühren und das Honorar der Bank. „Wir berechnen hier punktgenau die Nettowerte“, betont Jankovic.

Der Berater resümiert daher: „In den mehr als 20 Jahren meiner Berufserfahrung habe ich die Vermögensplanung ­immer als sehr trockenes mathematisches Konstrukt erlebt. Doch nun schaffen wir ein ­Beratungserlebnis.“